Im Rahmen der Aktion „Steampunk Hands Around The World“ stelle ich Euch in diesem STEAMPUNK-Monat u.a. deutsche Steampunk-Bücher, -Projekte und -Autoren vor.
Heute im Interview: Susanne Gerdom, Steampunkerin, Autorin, Lektorin und Schreib-Coach, Gründungsmitglied von Qindie, dem Autorenkorrektiv und Qualitätsoffensive im
SelfPublishing-Bereich und vieles mehr. Da das noch nicht genug zu sein scheint, veröffentlicht sie weiterhin unter dem Pseudonym Franziska Hille Liebesromane.
Im Interview ist sie heute aber aufgrund ihrer Steampunkromane Æthermagie und Æthersturm, die ich hier im Blog bereits vorgestellt habe. Ganz neu, quasi noch dampfend aus dem Ideenofen gezogen, ist das Projekt Clockwork Cologne, ein Gemeinschaftsprojekt, das Steampunk und Krimi, Magie und Technik, persönliche Schicksale und Verbrechen vereint.
Susanne Gerdom lebt, wohnt und arbeitet im Familienverband mit vier Katzen und zwei Menschen in einer kleinen Stadt am Niederrhein.
Warum fasziniert dich Steampunk so sehr, dass du ein Buch in diesem Genre geschrieben hast?
Ich liebe die Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts, immer schon. Ich mag Settings, die das viktorianische Zeitalter umfassen. Ich liebe Science Fiction. Ich habe eine relativ heftige Abneigung gegen High Fantasy, bekomme schlechte Laune, wenn ich Kuttencover sehe und finde, dass die Urban Fantasy ein wenig zu sehr in Richtung Glitzervampire geht. Was bleibt da schon? Steampunk/Steamfantasy (oder auch Dieselpunk …) hat alles, was meine Fantasie anregt: Schröckliche Schurken, Theaterdonner, Maschinen, Autos UND Kutschen, das gesamte Repertoire der Sherlock-Holmes-Geschichten, Pistolen UND Degen, Luftschiffe, eine Gesellschaft mit beginnender Industrialisierung und damit auch modernen Problemen (wie Umweltverschmutzung, Drogensucht, Prostitution und Missbrauch von Technologien), Anarchisten, Revoluzzer, Fracks und rauschende Abendgarderobe, aber auch Lederkluft und Fliegerhauben, Goggles und Zylinder, Korsetts und kleine Pistolen, die in Abendhandtaschen passen … Ich habe Steampunkelemente in einigen meiner Bücher untergebracht und freue mich jedesmal diebisch, wenn es nicht auffällt. Die Verlage werden ja jetzt erst langsam etwas geschmeidiger, was dieses Genre angeht, aber das Misstrauen ist immer noch da.
Was hat dich für Steampunk begeistert? Gab es ein Aha-Erlebnis oder ein Buch, das dir den Einstieg gegeben hat?
Schwer zu sagen. Im Kino sind Steampunkelemente ja schon lange gang und gäbe, das hab
ich immer schon gerne gemocht. Vielleicht waren es die „Glasbücher“ von Dahlquist, die mir das Genre zum ersten Mal konkret ins Bewusstsein gebracht haben. Oder war es der Kompass? (Den mochte ich übrigens nicht.)
Hast du ein Steampunk-Lieblingsbuch und/oder einen -Film?
Schwer zu sagen. Könnte man „Anno Dracula“ dazuzählen? Die Differenzmaschine ganz sicher, das war eins meiner ersten aus dem Genre und ich bin ziemlich sicher, dass ich das damals unter dem Etikett SF gelesen habe. *g* Prestige von Christopher Priest. (Die Verfilmung war nett, aber das Buch ist der Hammer.) Lerchenlicht. Und ich hab einen Riesenstapel hier liegen, die Frauen von Nell Gwynne’s, die Zerbrochene Puppe von Judith und Christian Vogt, ein paar Romances, Affinity Bridge … viele schöne Sachen, glaube ich. Und Filme … ich glaube, es ist wahrhaftig „Wild Wild West“ – auch wenn der vielerorts verrissen wurde. Ich fand ihn toll.
Hast du als Autor ein literarisches Vorbild? Findet sich was davon in deinen Steampunk-Büchern wieder?
Nein, nicht direkt. Ich mag sehr unterschiedliche Autoren und muss immer ein bisschen aufpassen, welche Freizeitlektüre ich neben welches Projekt klemme. Manchmal nutze ich die Lektüre, um einen Duktus hinzukriegen (zu Æthermagie hab ich viel Wiener Moderne gelesen, zu einem anderen Steamprojekt, das noch in der Pipeline steckt, habe ich Dickens bevorzugt.) Das heißt nicht, dass ich direkt kopiere, sondern mir sozusagen die „Melodie“ aneigne. Das Aroma, das eine bestimmte Zeit literarisch hat.
Würdest du gerne in der von dir erfundenen Steampunk-Welt leben?
Hm. In Cöln jedenfalls nicht. In Wien auch nur bedingt – die Unterwelt würde mir vielleicht Spaß machen. Am ehesten gefiele mir noch mein (noch nicht veröffentlichtes) Prag der „Voynich-Verschwörung“, weil ich diese Stadt umwerfend und faszinierend finde und mich gerne mal mit dem Kriminalassistenten Seamus Bran O’Leary (ein Leprechaun aus dem Protektorat Eire) besaufen würde. ^^
Steampunk – Fantasy oder Science Fiction?
Da bin ich ja ziemlich uneins mit Stefan Holzhauer (huhu, Stefan!), weil ich finde, Steampunk ist eine viktorianisch verkleidete Science Fiction. Natürlich kommt es darauf an, wie stark der jeweilige Autor das gewichtet. Wenn viele magische Elemente mitspielen, dann ist der Fantasy-Anteil natürlich entsprechend höher.
Luftschiffe im Weltraum? Wie denkst du über Steampunk-Unterkategorien?
Wollte ich immer mal schreiben. Vielleicht schaffe ich es im Rahmen unseres Qindie-
Gemeinschaftsprojektes „Clockwork Cologne“ – angedacht habe ich es. (Mein Bösewicht baut an einem quantenmagisch angetriebenen Raumschiff …) Steampunk sollte ruhig kräftig in Unterkategorien austreiben. Je bunter, desto besser. Und vor allem: Steampunk made in Germany!
Besitzt du ein Steampunk-Outfit? Wo trägst du es?
Lieber Andreas, ich bin 55 und wohne in einem Dorf am Niederrhein. Wahrscheinlich würde ich damit großes Hallo beim Bäcker hervorrufen … die Niederrheiner sind ja ein tolerantes Völkchen. *g* Nein, hab ich nicht. Aber ich bin in meinen jungen Jahren gerne in Frack und Cut herumgelaufen, Stresemannhose, Weste, Herrenhut. Da nannte man das aber noch nicht Steampunk, sondern bekloppt. Allerdings, wie Calmund sagen würde „possetief beklopp“.
Wirst du demnächst aus deinem Steampunk-Buch lesen (im Steampunk-
Outfit)? Termine!
Nein, in diesem Jahr bin ich im Buchmessenstreik. Zu viel Arbeit. Von daher fallen auch die Lesungen aus. Aber danke, dass du gefragt hast.
Liebe Susanne, vielen Dank für das Interview und deine offenen Worte. Viel Erfolg bei der Veröffentlichung von Æthersturm und Clockwork Cologne
Im nächsten Beitrag beleuchten wir ein Werk aus dem Subgenre Teslapunk!