Im Rahmen der Aktion „Steampunk Hands Around The World“ stelle ich Euch in diesem STEAMPUNK-Monat u.a. deutsche Steampunk-Bücher, -Projekte und -Autoren vor. Heute im Interview:
Ju Honisch
Die Autorin, Dichterin und Liedermacherin veröffentlicht ihre Bücher u.a. beim Feder&Schwert-Verlag, beim Hexentor-Verlag und bei Heyne.
Die gebürtige Bayerin, die es inzwischen nach Hessen verschlagen hat, sagt über sich selbst:
Ich mag Phantastik, und ich stehe dazu.
2009 erhielt sie den Deutschen Phantastik Preis für ihren Debütroman Das Obsidianherz.
Gestern habe ich in meinem Blog ihr neues STEAMPUNK-Buch „Schwingen aus Stein“ vorgestellt, heute beantwortet sie mir die Fragen, die ich allen Steampunk-Monat Autoren stelle:
Warum fasziniert dich Steampunk so sehr, dass du ein Buch in diesem Genre geschrieben hast?
Das erste Buch, das in dieses Genre passt, habe ich schon vor dreizehn Jahren geschrieben (veröffentlicht ein paar Jahre später). Es hieß „Das Obsidianherz“. „Schwingen aus Stein“ ist schon das fünfte Buch der (namenlosen) Serie.
Die Faszination ist dabei vielschichtig. Zum einen bin ich Historikerin – habe einen Hochschulabschluss in Geschichte (und Englisch). Zum anderen mag ich Phantastik – in der ganzen Bandbreite, aber besonders, wenn die Welt nicht allzu weit von unserer entfernt ist. Das 19. Jahrhundert, sei es auch noch so fiktiv angelegt, ist mir näher als das frühe Mittelalter mit Schwert schwingenden Kempen, die sich ordnungsgemäß durch eine Reihe Drachen arbeiten. Die Kombination von Geschichte und Phantastik hat sich dann schon fast von allein angeboten.
Was hat dich für Steampunk begeistert? Gab es ein Aha-Erlebnis oder ein
Buch, dass dir den Einstig gegeben hat?
Die Idee, selbst einen Steampunk-Roman zu schreiben, ist mir bei einem Castle-Falkenstein-Rollenspiel-Abenteuer (Ende der 90er) gekommen. Es war eigentlich das erste Mal, dass ich mich so richtig in dem Charakter, den spielte, einnisten konnte, denn das neunzehnte Jahrhundert kannte ich gut – selbst die Falkenstein-Version. Doch zu dieser Zeit gab es noch nicht viel an Steampunk – schon gar nicht in Deutschland. Deshalb hat es auch ein bisschen gedauert, bis ein Verlag sich fand (ein Hoch auf Feder&Schwert!), dem der Begriff nicht fremd war und der nicht der Meinung war, Phantastik müsste eben jene Schwert schwingenden Kempen eines frühen Mittelalter beherbergen, die sich – immer noch – ordnungsgemäß durch eine Reihe Drachen arbeiten.
Beeinflusst hat mich aber nicht nur das Rollenspiel, sondern auch die „Gothic Novels“ (die heißen in der Lit.-wiss. wirklich so) aus dem 19. Jahrhundert, die ich alle gelesen hatte. Und letztlich mochte ich generell Literatur dieser Epoche, von Jane Austen über Charles Dickens bis zu Bram Stoker. Dieser Tatsache ist vielleicht auch geschuldet, dass der Steampunk in meinen Büchern zu einem größeren Teil gesellschaftshistorisch ist und nicht so technisch (obwohl es in Salzträume eine ganz wunderbare dampfbetriebene Doomsday-Maschine gibt.)
Und zuletzt war es die ungeheure Kreativität, die mich an Steampunk begeistert hat und die über Literatur weit hinausgeht. Ein Genre mit „Ganzheitlichkeit“, das besonders nette und wild kreative „Fen“ oder Anhänger hat. In unserer Welt, in der alles immer so ein bisschen sehr glatt und seelenlos ist, ist Steampunk für mich auch Seelenurlaub. Und ich bin schon immer der Meinung gewesen, dass Seelen auch Schnörkel haben dürfen. Sonst ist es langweilig.
Hast du ein Steampunk-Lieblingsbuch und/oder einen -Film?
Eigentlich nicht. Ich schaue mir natürlich alle Filme an, die in diesem Genre rauskommen. Ich komme nicht dazu, entsprechend wirklich alle Bücher zu lesen. Der Tag ist einfach zu kurz.
Ich mag z.B. Gail Carriger – lieber als so manchen sehr technisch orientierten Autor. Aber das heißt aber nicht, dass die technischeren Werke etwa schlecht wären. Mir selbst als Autorin ist allerdings das Feeling, das Ambiente der Epoche und die Einflüsse, die es auf das Denken und Handeln der Protagonisten hat, wichtiger als dezidiert ausgeführte Technik. Nun spielen meine Steampunk-Romane allerdings in einem ziemlich historisch
korrekten Umfeld – mit einem Einschlag Phantastik. Sprich: wenn meine Heldin mit der Dampfeisenbahn von Salzburg nach München fährt, kann man sich darauf verlassen, dass ich recherchiert habe a) wie verlief die Strecke? b) wie lange war man unterwegs? b) wie reiste man? d) wo musste man umsteigen e) welche Bahnhöfe waren schon gebaut? und f) wo reiste die Zofe? Das ist wahrscheinlich die übriggebliebene Historikerin in mir, macht – zugegebenermaßen – allerdings auch mehr Arbeit als einfach den Daumen nach dem nächsten Luftschiff rauszustrecken.
Hast du als Autor ein literarisches Vorbild? Findet sich was davon in deinen Steampunk-Büchern wieder?
Ich habe viele Vorbilder – schließlich gibt es so unendlich viele, tolle Autoren, die ich aber bewusst nicht „kopieren“ mag. Mein größtes Vorbild bleibt Terry Pratchett. Der hat sich lange gar nicht mit dem 19. Jahrhundert beschäftigt. Jetzt ist „Dodger“ da, geht aber auch in die historisch-gesellschaftliche Schiene. „Dodger’s Guide to London“ ist ein hervorragendes Sekundärwerk, wenn man sich mit dem Leben im viktorianischen London bekannt machen möchte.
Ansonsten habe ich Anregungen von den verschiedensten Autoren dankbar angenommen. Selbst Georgette Heyer (ganz bestimmt keine Steampunk Autorin) hat ihr Scherflein mit zu den Liebesgeschichten in meinen Büchern beigetragen. Manche nennen ihre Bücher Schmonzetten, aber es sind vermutlich die historisch best-recherchierten und stilistisch elegantesten Schmonzetten, die es gibt.
Würdest du gerne in der von dir erfundenen Steampunk-Welt leben?
Nur wenn ich sie immer wieder redigieren und neu editieren kann. Wenn man gerade auf der dampfbetriebenen Folterbank des Mad Professor XX liegt, dann fände ich es schön, just an dieser Stelle den Rotstift ansetzen zu können.
Mad Professor XX: Muaahahaha! Nimm dies!
Ich: – cut –
Exit Mad Professor XX.
Steampunk – Fantasy oder Science Fiktion?
Phantastik. Oder Speculative Literture. Eine weitere Kategorisierung ist unnötig. Schubladendenken ist der Kreativität abhold.
Luftschiffe im Weltraum? Wie denkst du über Steampunk-Unterkategorien?
Ich ignoriere Unterkategorien. Für mich ist ein Buch spannend oder nicht spannend, gut geschrieben oder lausig formuliert. Mehr Schubladen brauche ich nicht.
Besitzt du ein Steampunk-Outfit? Wo trägst du es?
Ich besitze mehrere Outfits. Die schönsten hat allerdings das Schicksal ereilt, dass ich im Moment nicht reinpasse. Ein guter Freund hatte mir historisch korrekte Krinolinenkleider (ca. 1865) gemacht – mit historisch korrekten Undies.
Aber ich habe auch ein paar Sachen, die nicht ganz so „komplex“ sind; die man ohne Komplikationen und – ganz wichtig – ohne Zofe anziehen kann. Das ist auf Lesungen schon wichtig.
Wirst du demnächst aus deinem Steampunk-Buch lesen (im Steampunk-Outfit)?
Am Dienstag, den 18. März im FAB (Frankfurt Art Bar) http://www.frankfurtartbar.de/ um 20:00 zusammen mit Oliver Plaschka, Judith und Christian Vogt. Und dann noch mal am 11. April im Drachenwinkel http://www.drachenwinkel.de/Veranstaltungen.1507.0.html mit den gleichen Steampunk-Kollegen zusammen.
Ich weiß nicht, was die anderen anhaben, aber mein schwarzer Spitzenrock und die Schnürstiefel freuen sich schon auf den Auftritt.
Wahrscheinlich wird es auch eine Lesung zur Leipziger Buchmesse geben. Termin steht noch nicht fest.
Liebe Ju, danke für das Interview!
Wer jetzt neugierig geworden ist und mehr erfahren möchte, Ju Honisch hat natürlich eine Homepage und eine eigene Seite auf facebook.
Und in meinem nächsten Beitrag geht es weiter mit dem nächsten STEAMPUNK-Buch eines deutschsprachigen Phantastik-Preis-Trägers!
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